Das Chorgericht

Das Chorgericht
1528 wurde in der Republik Bern die Reformation eingeführt und die bernische Landeskirche ins Leben gerufen. In der Folge wurde der Besitz der vormals katholischen Kirche eingezogen und die Klöster säkularisiert, die Pfarrer waren praktisch Staatsangestellte.

Die Berner Regierung rief 1587 mittels des "Christlichen Mandats" die Chorgerichte in Leben. Sie hatten in den Kirchgemeinden für Ehrbarkeit zu sorgen und hatten das Recht, zu ermahnen und zu büssen, sei es durch Geldstrafen oder Haft von ein paar Stunden bis zu mehreren Tagen. Als Vergehen wurden geahndet, neben aus heutiger Sicht jugendlichen Streichen: unehelicher Verkehr und Schwangerschaft, Ehestreit, Trunksucht, Spiel und Tanz, mangelnder Kirchenbesuch, Luxus, Kleiderpracht, und vieles mehr; kurz alles, was nicht den moralischen Vorstellungen der Zeit entsprach. Empfindlich wurde auch auf die Missachtung der "Ehrbarkeit" reagiert, wie sich das Chorgericht selbst nannte.

In schweren Fällen wie Mord und Totschlag, Notzucht, Blutschande, aber auch Gotteslästerung, wurde an das Obere Chorgericht in Bern verwiesen.Das Chrorgericht tagte, meist öffentlich am Sonntag nach dem Gottesdienst, unter dem Vorsitz eines Vertreters des Grundherren im Chorraum der Kirche. 1831 wurden die Chorgerichte aufgehoben und durch die Ehe- und Sittengerichte ersetzt, die anderen Aufgaben wurden von zivilen Behörden übernommen.




Die Familie Meyer vor dem Chorgericht in Jegenstorf(Auszug) 26. Februar 1692 

erschien dermahl eins Niclaus Meyer, der Schreiber von Mattstätten, so den Zeender Hans daselbsten verklagt, dass er im Wirtshaus zu Urthenen die gaben Gottes, namlich eingenommen spys und trank, unflätiger weis wieder von sich gespeüt, und dass er so voll wyns seye gsyn, dass er weder stehen noch gehen könnte. Der Zeender Hans laugnete das letztere nüd und vom ersten wüsse er nüd, begehre kundschaft darumb. Der Schreiber hatte es erzehlen gehörd von jungen Heren aus der Statt, die dabey gewesen; allein zu Vermeidung grösseren Wesens und Wytlaufigkeit begehrten sie, dass die sach hingelegt werde, und ist also der Schreiber wegen improcedierens "der Vorladung nicht folgeleisten" oftermahlig aussenbleibens und diessmahlig Chorgerichte verfällt worden umb 2 Pfund.Der Zeender Hans aber wegen seiner übermässig völle und verdächtig unzucht "Zuchtlosigkeit", neben einer censur gestraft worden auch umb 2 Pfund und soll die sach ausgemacht bleiben.

15. April 1694Item Hans Meyer von Mattstätten wegen liederlichen haushaltens, hat vermeidung der Wirthshäuseren versprochen. Der Schreiber von Mattstätten (Niclaus Meyer) ist nit erschienen, soll aber nebst dem Schmied zu Jegenstorf wiederum citiert werden.

17. Februar 1696
Eodem (gleichen Tags) stellte sich Hans Meyer von Mattstätten, als ein unflyssiger prediggänger und liederlicher haushalter, als dessen Kind unflyssig und ältester Sohn ein ganzes Jahr weder Predig noch Kinderlehr gegangen, ..., wurden ernstl. zur Besserung vermahnt.

9. Oktober 1698
Item erschienen Joseph Rufer und Hans Meyer wegen eines Streits, dabey sie übel gescholten, den Hans sonders ein liederlicher Tropf, so stähts in Wynhäuseren, in dem Sonntags keiglet (gekegelt) mit dem Bub z'mattstätten, auch in währendem Gottesdienst, und ein gar schlechtes Leben führt mit seinem gsind. Dieser finge an zu wüten und zu daubelen (duble/tuble = trotzen), will seine ankläger wüssen, klagt über Josephs weib und lauft zur Kirch hinaus. Der Joseph wirdt censiert 10 Schilling. Sein Weib und Hans sollen wieder beschickt werden.

6. Februar 1699
Verhandlung gegen mehrere Einwohner von Mattstetten, weil sie "einen barfus <Bettelmönch> beherberget und ihn angehört, in Chorgerichtl. straaf erkend worden."Gestraft werden neben anderen, mit je 10 Schilling, Benz Meyers 2 Töchter und Susanna Meyer, und einer ernsthaften Warnung; der Herrschaft wurde ihr Recht vorbehalten, d.h. sie hatten weitere Strafen zu erwarten.

26. Februar 1699
In gleicher Sache mit 10 Schilling neben anderen "des Schmied Hansens Tochter Maria Meyer ..., allein sampt übrig eine scharfe Censur gegeben worden, der Herrschaft allhier Ihr buss vorbehalten."

7. April 1700
erschien Peter Hubacher, der liederliche Müller von Urthenen, wylen in d'hohen Wochen (Karwoche) er alle Tag voll gsyn und mit dem Schreiber von Mattstätten im underen Wirthshaus an dem Hohen Donnstag (Gründonnerstag) eins unfug angestellt vollerwys, ... und wie der Schreiber klagt, seiner Frauen nach dem Fürtuch (Schürze) gegriffen... Dafür und weitere Vergehen wurde er gebüsst mit 1 Pfund und Androhung von Gefangenschaft.

16. Juni 1700
Eodem erschienen Benz Meyer von Mattststätten und Adam Eberhart, item Adam Leus Knecht, Hans Dürig von Jegenstorf, welcher da Sonntag abends vor des Schmiedbenzens Haus bey den fensteren lehnte, da ist der Benz und gemelter Adam mit ihme aus dem Haus kommen, ihne fluchend auf dem Zaun erdappt, ihn geballget, geschlagen und geschworen, sind all drey im fehler gefunden und jeder bestraft wurden zu 5 Schilling.

30.Juli 1702
sind vor Chorgericht erschienen: erstlich Hans Meyer von Mattstätten und seine Tochter Maria, und Maria Hubacher, Hans Joggi Rufers Frau, welche obbedeutete Maria Meyer von dem Ihro zugemuhteten Laster einicher allzugrossen Gemeinschaft mit Joggi Rufer purgieren (reinigen) und entschlagen müssen; und darbey noch einen halben Gulden zu erlegen ihro auferlegt worden.

6. August 1702 (in vorstehender Sache)
sind vor Chorgericht erschienen Hans Meyer von Madstetten und seine Frau und sein Tochter Mareyen und Clauss Hubacher samd seiner Frau. Da die mansbilder den 30. Juli von wegen obigen zugemuhteten lasters einander geschlagen, da ist der Hans Meyer, als welcher mit wüsten worten der anfänger gewesen, und büsst worden, 10 Schilling, und neben einer guten censur zur einigkeit vermahnet.

10. Oktober 1706
Item hatt der Chorgericht Sekelmeister geklagt, der Meyer Hans wolle den halben Theil, der ihm vor der Ehrbarkeit ist auferlegt worden, vor diesem wegen seiner begangenen fehlern nit erlegen wollen. Er aber, als Sekelmeister, weil er rechnung gegeben, könne denselben, als verrechnet und ihm zugehörig, nit nachlassen. Ist erkent worden, er solle ihn nochmal abfordern. So er sich abermal weigere, so soll ihm vor Chorgericht gebotten werden.

17. Oktober 1706 (in vorstehender Sache)
Eodem sollte erscheinen (citate) Meyer Hans, ist aber nit erschienen, soll ihm noch einmal gebotten werden.

24. Oktober 1706 (in vorstehender Sache)
ist stillstand gehalten worden, da dann erkent worden, der Meyer Hans solle, obschon er abzahlen wil, in eines Weg citiert (verklagt) werden, weil er anfangs unverschamte wordt sol geredt haben und gesagt, er seye nüt schuldig.

16. Dezember 1708
Auf Sonntag den 16 Decemberis sind auf gethane Citation vor Chorgericht erschienen: Hans Glauser, Müllers Sohn, und Anna Meyer, item Claus Niclaus und Salome Glauser, beyderseits Eheleüth von Münchringen, und alss Ihnen ihr fähler vorgehalten, dass nemblichen der beyschlaff und die schwängerung ihren Kirchgang (Hochzeit) vorgegangen und sie beyderseits solches mit bezeügendem Reüwen erkent und bekent, auch desswegen umb Verzeichung gebätten, als sind sie neben einer gegebenen Censur ein jede Parthey umb auch 2 Pfund gestrafft worden.

3. Mai 1716
ist Chorgericht gehalten worden und sint vor der Ehrbarkeit erschienen Hr. Hanss Rudolff Dürig Notarius allhier und auch Hr. Niclaus Meyer von Madstetten Notarius, welche beide um eigne Kirchenstüle angehalten haben, und weilen sie versprochen haben, dem Kirchmeyer zu geben und zu entrichten, war denen angezeigt worden und vor diesem statuiert (festgelegt) worden, ist es ihnen auch bewilliget und vergünstiget worden.

10. Januar 1717
Eodem ist auch citiert worden Niclauss Meyer junior von Madstetten Notario, ist aber, weil er nicht anheimbsch ware, nicht erschienen.

17. Januar 1717
Eodem ist auch vor der Ehrbarkeit erschienen Hr Niclauss Meyer junior von Madstetten Notarius, welcher, weil er vor etwas Zeits mit dem Schreiber allhier um einen eignen Kichenstuhl angehalten, und derselbige nicht ihme sondern dem anderen assigniert (zugeteilt) worden, die besuchung und übung dess Gottesdiensts in seiner Pfarrkirchen underlassen, auch verabsaumet, vorgebende, dass er an Sonntag und Festtagen sich nach Hindelbank begebe, nachdem er aber mit diesem eitelen und übel lautenden Grund sich hatt verlauten lassen und also verhört worden und abgestritten, ist gudt und nothwendig erachtet und erkent worden, ihne dessthalben, sintemal noch vihl ander stüel, zu censurieren und zu vermahnen. Ist aber fortgangen und hatt sich fort gepakt, ohne die Chorgerichtl. Erkantnuss und censur zu erwarten und anzuhören. (Bild zur Szene, siehe oben)